Wenn es unordentlich ist

Es ist klar, dass jeder die Ordnung macht oder eben nicht macht, bei der er sich wohl fühlt. Und es ist auch klar, dass es hierbei die verschiedensten Vorstellungen gibt, besonders zwischen Erwachsenen und Kindern.

Was soll man machen, wenn die Kinder nicht eigene Zimmer haben? Wo sie die (Un)Ordnung machen können, die sie wollen? Wenn also zwei Lebensarten kollidieren? Wenn die Kinder sich in den Räumen der Erwachsenen aufhalten und wie einen Kometenschweif ihre (Un)Ordnung hinter sich herziehen? Oder wenn die Kinder in ihren eigenen Zimmern ein unerträgliches Chaos anrichten?

Wenn man dann den Kindern sagt, wie man es gern hätte – na gut. Wenn es nur eine Information ist. Aber was soll's? Die Vorstellungen der Eltern von Ordnung – von der Erwachsenen-Ordnung – kennen die Kinder längst. Das noch mal auszusprechen ist doch meist nur der Beginn, Druck auszuüben, damit die Kinder tun, was man will. Wenn es nicht das notwendige Signal ist, eine Vereinbarung zum Aufräumen anzumahnen, der die Kinder dann auch zustimmend nachkommen.

Auch amicative Eltern können in der (Un)Ordnung ihrer Kinder eine Grenzüberschreitung erleben, die sie nicht hinnehmen wollen. Die Macht, die sie dann zur Durchsetzung ihrer Ordnung ausüben, erfolgt ohne Demütigung und Herabsetzung der Kinder. Denn die Kinder müssen nicht einsehen, dass der Erwachsene recht hat. Er besteht auf seiner Ordnung nicht deswegen, weil er wertvoller als das Kind ist, über ihm steht und recht hat, sondern weil er in Not ist und seine Grenze verteidigt.

Aber es gibt für amicative Eltern auch noch eine andere Möglichkeit: Man kann selbst die Ordnung herstellen, die einem wichtig ist – ohne sich dann herabgesetzt und ausgenutzt zu fühlen. Weil man weiß, dass die Kinder ihre (Un)Ordnung nicht aus irgendwelcher bösen Absicht, Nachlässigkeit oder sonst einer Unart machen, sondern weil sie als souveräne und selbstverantwortliche Menschen ihren eigenen Weg gehen – auch in der Ordnungsfrage. Und dem begegnet man mit Respekt und ohne Ärger. Man sorgt dann dafür, dass die eigene Ordnung entweder nicht gestört wird (indem man die Kinder an bestimmte Sachen nicht mehr heran lässt) oder man lässt die Kinder spielen und räumt dann selbst in seinem Sinne auf.

Die Gedanken solcher amicativer Eltern sind etwa diese: »Was hat es für einen Sinn, andere meine Ordnung herstellen zu lassen, außer dem, dass ich diesen Ordnungskrieg gewinne? Die Unordnung der Kinder in meinem Bereich provoziert mich nicht. Ich freue mich doch, dass die Kinder da sind und dass sie bei mir leben. Und klar – das hat auch Auswirkungen, eben Kometenschweife. Einem Hund sehen wir nach, wenn er Dreck in die Wohnung bringt – aber die Kinder sollen unsere Ordnung halten? Ich liebe die Kinder und auch ihre Unordnung, ihre Botschaften, ihre Symbole, dass sie bei mir leben. Ich habe dadurch am Tag ein paar Minuten Mehrarbeit, stimmt. Ja und? Wie viel Energie und Zeitverschwendung würde es kosten, einen Ordnungskrieg zu führen?« Und konkret: »Ich habe diese ganze Ordnungsproblematik hinter mir, ausdiskutiert. Ich finde mich zurecht in unseren verschiedenen Welten. Und ich finde immer wieder etwas, das mir wirklich hilft: Bei mir gibt es eine Kiste, in die alle Kindersachen reinkommen, die herumliegen. Mein Aufräumen geht mir von der Hand.«

Solche amicative Eltern räumen auf, so wie sie Windeln wechseln, Brei kochen, Wäsche waschen, Hausaufgaben nachsehen, die Kinder zum Reit- und Klavierunterricht fahren. In beiläufiger Freundlichkeit, ohne Anstoß zu nehmen und ohne sich dabei zu überfordern. Und die Erfahrung solcher Familien hat gezeigt, dass die Kinder nach und nach ihre Zimmer selbst aufräumen wollen – wenn sie nicht bedrängt werden. Und zwar so, dass auch ihre Eltern mit der dann erreichten Ordnung zufrieden sind.